Wasserwerk und Wasserleitung

Ansichtskarte von 1903

Der Wasserturm in der Promenade, auf Ansichtskarte mit Poststempel vom 8.8.1903
Quelle: Ansichtskartensammlung von Dipl.-lng. Günter Rabe, Neuss
Mit freundlicher Unterstützung des Neusser Stadtarchivs


 

WASSERWERK UND WASSERLEITUNG 1881—1945

Obschon im Altertum, vor allem durch die Römer, Wasserleitungen gebaut worden waren, wusste man im Mittelalter nichts mehr von diesen technischen Fertigkeiten und den hygienischen Erkenntnissen der Wasserqualität. Gleichwohl hatten bereits größere Städte ihre Bürger nicht nur mit Wasser aus Pützen, sondern auch aus Wasserleitungen versorgt. Sie entnahmen das Trink- und Gebrauchswasser für die Leitungen aus „Flüssen und Bächen, die allerdings auch flüssige und feste Abfallstoffe abführen mussten."

So waren 1294 in Lübeck die Brauer-Wasserkunst sowie um das Jahr 1340 in Ulm die ersten Pumpwerke entstanden. Zu Braunschweig wurde im Stadtteil Altewieck 1525 die Ägidienwasserkunst erbaut, die mit Hilfe eines großen Wasserrades und Kolben (Stampen) das Flusswasser der Ocker in die Wasserleitung (Pipenleitung) schaffte.

In Hannover bestand schon 1352 ein Wasserhof, wo durch ein Schöpfrad das Flusswasser der Leine zur Wasserversorgung gefördert wurde.

Seit 1487 konnte das Schöpfrad-Wasserwerk an der Leine erweitert und auch zur Speisung der ersten Wasserleitung genutzt werden. 1525 wurde in Hannover eine Wasserkunst in Betrieb genommen. Diese Beispiele mögen genügen, um die allgemeine Entwicklung des Bauens von Wasserleitungen zu veranschaulichen.

„Am Beginn der Entwicklung der neuzeitlichen Wasserversorgungstechnik steht die Einführung der Dampfmaschine als Antrieb für Pumpen (etwa ab1790), wodurch auch große Fortschritte in der Herstellung von gusseisernen Druckrohren und Pumpen möglich wurden". In Köln war schon 1745 die erste Saugpumpe eingesetzt worden.

Mit dem Schaffen einer neuzeitlichen Wasserversorgung ließ man sich aber viel Zeit. Etwa 30 Jahre lang verhandelte die Stadt Köln mit vielen Unternehmern.

1865 beschloss der Rat den Bau eines Grundwasserwerks in Rheinnähe, das samt der neuen Wasserleitung im Februar 1872 in Betrieb genommen werden konnte.

Die Stadt Düsseldorf hatte ihr neuzeitliches Wasserwerk bei Flehe schon seit 1870 laufen und nahm 1875 und 1880 weitere Pumpwerke hinzu. Wasserwerke folgten 1877 in Krefeld, 1880 in Mönchengladbach und 1896 in Viersen. Eine neuzeitliche Kanalisation begann in Düsseldorf und Krefeld 1874, in Mönchengladbach 1880, in Köln 1881 und in Viersen 1886 Planung und Ausführung.

Im Jahre 1868 hatte Baurat Gustav Henoch aus Altenburg (Sachsen) auch der Stadt Neuss ein gedrucktes Angebot mit Zeugnissen unterbreitet. Darin bot er seine Dienste an „zur Auffindung, Fassung und Leitung von Quellen sowie zur Herstellung vollständiger Wasserversorgungswerke für größere und kleinere Städte".

Das Angebot wurde nicht einmal im Rat der Stadt Neuss besprochen und zu den Akten gelegt.

Allerdings brachte Bürgermeister Ridder einige Jahre später die Planungen für eine neuzeitliche Wasserversorgung in den benachbarten Großstädten dürften sich herumgesprochen haben wiederholt die Frage einer neuen Wasserleitung in die Ratssitzungen.

So heißt es in der Niederschrift vom 30. Oktober 1876:

„Der Vorsitzende schlägt vor, in Erwägung zu ziehen, ob nicht in hiesiger Stadt eine Wasserleitung hergestellt werden solle, und beschließt die Versammlung, diese Angelegenheit an die Kommission für Finanz-, Bau- und Eigentumswesen zu überweisen."

Während der Rat von sich aus nichts mehr unternahm, kam der Bürgermeister auf die Frage am 28. Juni 1877 zurück und erklärte dem Rat, „dass er angegangen worden sei, die Stadtverordnetenversammlung zu veranlassen, einen etwas bestimmteren Beschluss betreffs Anlage einer Wasserleitung in Neuss zu fassen, wenigstens zu beschließen, einen annähernden Kostenvoranschlag aufstellen zu lassen. Die Versammlung geht hierauf nicht ein."

Die Teilnahmslosigkeit der Ratsmitglieder gegenüber einer so wichtigen Sache erscheint für heutige Begriffe geradezu unverständlich. Die Haltung des Rates änderte sich vorerst auch nicht, wie die Sitzungsniederschrift vom 8. Juli 1878 beweist:

„Einer Vorlage der deutschen Wasserwerksgesellschaft zu Frankfurt a.M. wegen Anlegung einer Wasserleitung für die Stadt Neuss ist nicht näher getreten worden, indem für die Stadt kein Bedürfnis vorliege."

Überraschend trat eine Wende in der Wasserversorgungspolitik der Stadt Neuss ein, als der Geheime Baurat Henoch aus Gotha, von dem das erste nachweisbare Angebot 1868 nach Neuss gelangt war, im Sommer 1879 anbot, „für eigene Rechnung und Gefahr eine Wasserleitung in hiesiger Stadt anzulegen". Der Rat beschloss am 11. August148, Henoch zunächst zu einer örtlichen Besichtigung zu veranlassen.

Als dem Rat am 23. Oktober ein Vertragsentwurf des Henoch unterbreitet wurde, wünschte der Rat erst einmal die Entsendung eines Technikers, „um bezüglich des Obertores sowie der hiesigen Höhenverhältnisse eingehende Untersuchungen anzustellen", sobald die Kostenfrage dafür geklärt sei.

Am 1. Dezember wiederholte der Rat diese Stellungnahme. Die Hauptpunkte für die Ausführung der Wasserleitung sollten durch Henochs zu entsendenden Techniker mit dem städtischen Bauausschuss festgestellt und Henochs Vertragsentwurf geprüft werden. Nach Neujahr 1880 wollte Henoch persönlich nach Neuss kommen.

Mit der Prüfung des Vertragsentwurfs ließ die Stadt Neuss sich Zeit. Der Rat beauftragte damit zunächst die Stadtverordneten Josef Broix und Wilhelm Thywissen und wünschte vor allem die Ermäßigung des Höchstsatzes für Wasserabgabe, ferner eine „Bestimmung bezüglich der Bildung eines Erneuerungsfonds in ähnlicher Weise, wie dies in dem § 12 des Vertrages zwischen der Stadt Bonn und der Rheinischen Wasserwerksgesellschaft geschehen" war.

Die Verhandlungen mit Henoch liefen weiter, als plötzlich der Unternehmer Heinrich Scheven, Bochum, sich noch vor Vertragsabschluß als Mitbewerber um den Auftrag meldete und verpflichtete, binnen vierzehn Tagen einen Bauplan und Kostenanschlag zu liefern. Nachdem die Bau- und Eigentumskomission auch Schevens Unterlagen geprüft hatte, schlug sie dem Rat in dessen Sitzung vom 7. April 1880 vor, „die Wasserleitung für eigene Rechnung zu bauen."

Der Rat lehnte diese Empfehlung ab und beschloss „einstimmig, auf den Vertragsvorschlag des Ingenieurs Scheven aus Bochum einzugehen, und wurde eine Kommission, bestehend aus den Herren Dr. Sels, Josten, Broix und Thywissen, gewählt, welche den Vertrag endgültig abschließen soll." Der Vertragsentwurf wurde im Rat noch wiederholt behandelt und am 12. April 1880 — vorbehaltlich der Genehmigung durch die Regierung zu Düsseldorf — gebilligt.

Dennoch wurde durch Scheven am 26. Mai 1880 ein neuer Plan mit Kostenanschlag (etwa 160000—170000 M) vorgelegt und in der Ratssitzung vom 31. Mai genehmigt.

Damit war der Vertrag noch nicht „unter Dach und Fach". In der Sitzung vom 16. Juni 1880 beriet der Rat einige Bemerkungen der Regierung Düsseldorf. Demnach sollte der Stadt die Möglichkeit bleiben, „die Konzession zu übertragen respektive ein Wasserwerk für eigene Rechnung zu errichten" (§1). Unter anderem sollte auch das Wort „Festungsturm" im §3 durch „Windmühlenturm" ersetzt werden.

 

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