Sie sind hier: Münzprivileg von 1475
Zurück zu: Die Neusser Geschichte
Allgemein:
Anfrage
Kontakt
Impressum
Der Höhepunkt der Neusser Münzgeschichte ist die Verleihung eines eigenen Prägerechtes durch das kaiserliche Privileg vom 2. September 1475, demzufolge die Stadt goldene, silberne und alle Arten von kleinen (also kupfernen) Münzen nach Grad und Korn des Reiches und der rheinischen Kurfürsten schlagen durfte.
Unter den zahlreichen kaiserlichen Privilegien nach dem glorreichen Ende des Neusser Krieges war das eigene Münzrecht neben der Bestätigung der alten städtischen Freiheiten das weitaus bedeutsamste.
Das Münzrecht war, wie wir eingangs gesehen haben, ein kaiserliches Regal. Die Kaiser hatten es weitgehend an die Landesfürsten verliehen, schon weil der Reichsfiskus allein den Münzbedarf niemals hätte decken können. Neben den Landesfürsten wurden die Städte nur in geringem Umfange Münzherren. Nur die größeren Reichsstädte erhielten dieses Regal etwa von der Mitte des 13. Jahrhunderts ab.
Man darf sich auch nicht dadurch irreführen lassen, dass die landesfürstlichen oder kaiserlichen Prägestellen in Städten lagen, oder dass Städte zur Behebung des Kleingeldmangels einfache Pfennige und Groschen meist widerrechtlich prägen mussten, wie das zeitweilig in Westfalen geschah.
In unserem rheinisch-westfälischen Raum besaßen nur ganz wenige Städte, so etwa die Reichsstädte Aachen (seit etwa 1350), Köln (rechtlich erst seit 1475) und Dortmund (endgültig seit 1504) das ausdrücklich anerkannte Münzrecht.
Das eigene Münzrecht brachte der Stadt Neuss nicht nur eine Erhöhung des Ansehens und der Kreditfähigkeit. Es hatte auch für den Neusser Bürger eine unmittelbare wirtschaftliche Bedeutung. Während heute nur der Staat Münzen prägen lässt, konnte damals jedermann sich aus dem in seinem Besitz befindlichen Münzmetall Münzen schlagen lassen.
Der städtische Münzmeister schlug aus dem ihm übergebenen Metall nach den Vorschriften der Stadt Münzen, die er dem Auftraggeber aushändigte, und wofür er der Stadt eine Abgabe, den sogenannten Schlagschatz (sleschatz) leisten musste.
Der Münzmeister soll „jedermann, der ihm sein Silber oder Münzgut in die Münze bringt", ordentlich bedienen. Der große Vorteil für den Bürger bestand also darin, dass er vorrätiges Edelmetall, also etwa sein Silbergeschirr, ohne weiteres in Geld verwandeln konnte, schneller und billiger, als wenn er es beleihen lassen oder unter Druck veräußern musste. Geprägt wurden hauptsächlich Silbermünzen, Gold ist nicht ausgeprägt worden, wie dies auch bei den anderen Städten so gut wie gar nicht der Fall war.
Zunächst wurden nach kölnischer An Weißpfennige (albus), Heller, Schillinge und alte Möhrchen und nach klevischer Art Weißpfennige geprägt. 1538 wurde dem Münzmeister vorgeschrieben, ganze, halbe und viertel Joachimstaler und Heller auszuprägen. Leider haben wir keinen genauen Einblick in den Umfang der Neusser Prägung. Er muss aber recht groß gewesen sein. So wurden vom Mai 1570 bis Februar 1571 insgesamt 135 872 Taler ausgeprägt. Das ist eine unglaublich hohe Summe, und damit beginnen auch die Schwierigkeiten. Das Geld war unterwertig. Bei einer amtlichen Münzprobe in Köln am 20. Februar 1571 wurde von diesem Geld ein großer Teil als zu leicht befunden.
Der niederrheinisch-westfälische Reichskreis, dem die Überwachung der Münzverhältnisse oblag, ordnete daraufhin an, dass die Stadt nicht mehr in Neuss selbst, sondern nur in der Münzstätte zu Köln prägen durfte. 1583 verbot der Kurfürst dann endgültig der Stadt die Ausprägung, da auch bei der Ausmünzung von 1577 bis 1583 dauernd unterwertige Münzen geschlagen worden seien. Trotz vielfältiger Bemühungen gelang es der Stadt später, so z. B. in den Jahren 1663 und 1667, nicht mehr, die Erlaubnis zum Münzschlagen wieder zu erlangen.
Da die Menge der bis 1583 geschlagenen Neusser Geldstücke offenbar aber sehr groß gewesen sein muss, blieb das Geld, wie wir gesehen haben, noch während des ganzen 17. Jahrhunderts im täglichen Umlauf.
Kann man der Stadt die volle Schuld an der Münzverschlechterung durch ihre Münzmeister zuschieben? Sie hat sicherlich die ehrliche Absicht gehabt, nur gutes Geld schlagen zu lassen. Dafür spricht die Formulierung des Eides, den die Münzmeister leisteten. Sie mussten schwören, ordnungsmäßig zu arbeiten und nur ehrbare und zuverlässige Mitarbeiter einzustellen, vor allem keine, die einmal in Heckenmünzen (Prägestätten, die für unterwertiges Geld bekannt waren) gearbeitet hatten. Auch stellte die Stadt je einen Schöffen und einen Ratsmann als Münzwardeine, also als Aufsichtspersonen an.
Aber es wird der Stadt an der nötigen Einsicht in die tatsächlichen und volkswirtschaftlichen Schwierigkeiten einer Münzprägung gefehlt haben. Schließlich hebt in diesen Jahrzehnten der Streit darüber an, was volkswirtschaftlich besser sei, gutes Geld oder reichliches Geld zu prägen, eine Verwirrung der Geister, die Jahrhunderte dauerte und selbst heute noch nachwirkt.
Dass spekulative Köpfe sich solche Zeiten zunutze machten und sogar Rat und Münzmeister glauben machen konnten, es geschehe nichts Unrechtes, ist durchaus möglich. Fahrlässiges und betrügerisches Handeln gewinnt erst in der berüchtigten Zeit der Kipper und Wipper um 1630 breiten Raum, aber daran war die Stadt Neuss nicht beteiligt.