Unter den wenigen Überresten der einstigen Stadtbefestigungen nimmt der Windmühlenturm eine besondere Stelle ein. Als Festungsturm stützte er die wichtige Südwestecke der Stadt, in deren Vorfeld Krur und Obererft zusammenflossen. Da er auch mit einem Windmühlenmalwerk ausgestattet war, konnte die Stadt hier bei Wasserknappheit ihr Korn mahlen lassen.
Im Burgundischen Krieg wurde der Turm schwer zerschossen, so dass von der Ursprünglichen Anlage des 13. Jahrhunderts nicht mehr viel erhalten blieb. Als man 1672 die Zitadelle im Süden der Stadt anlegte, wurde der Turm zusammen mit dem Obertor in das Befestigungswerk einbezogen, das jedoch bald schon seiner militärischen Funktion enthoben wurde, da die Neusser die Gräben zur Stadtmauer als Schuttabladeplatz benutzten.
Im Zuge der Stadtausweitung in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts wurden auch die Befestigungsanlagen im Südwesten der Stadt niedergelegt und Wall und Graben zur Promenade umgestaltet. Der Windmühlenturm, der in den Dreißiger Jahren seine Haube mit den Flügeln verloren hatte, blieb als Ruine erhalten. Im romantischen Aufwallen jener Jahre wurde an seinem Fuß 1858 eine Tonhalle erbaut.
1880 aber erkannten die Neusser erneut seinen Namen, indem sie in 30 bis 35m Höhe einen 416 cbm fassenden Wasserbehälter einbauten und den alten Windmühlenturm nunmehr als Wasserturm benutzten.
Gespeist wurde er von den beiden Dampfpumpen des Wasserwerks an der Weingartshecke.
Während im letzten Weltkrieg ringsumher die Bomben einschlugen, blieb der Windmühlenturm nahezu unbeschädigt, so dass er heute mit der neuen Schieferhaube neben dem Münster und dem Obertor das historische Neuss repräsentieren kann.
Dieser alte Befestigungsturm diente der Stadt aber auch als Gefängnis und beherbergte 1796 einen außergewöhnlichen Gast: Matthias Weber, genannt Fetzer. Dieser berüchtigte Räuberhauptmann, der 1778 in Grefrath bei Kempen geboren wurde, war zuerst Anführer der Krefelder, dann der Neusser Räuberbande, die den Niederrhein unsicher machte und sogar den Soldaten Gefechte lieferte.
Zu seiner tollsten Taten gehört ein Einbruch in das Neusser Rathaus, bei dem er aus einer schweren beschlagenen Truhe das Stadtsilber stahl. Fetzer wurde kurze Zeit später gefangen und im Untergeschoß des Windmühlenturms eingesperrt. Aber in der Allerseelennacht durchbrach er mit seinem Kumpan, dem Deutzer Michel, die Decke und ließ sich vom Obergeschoss an den Tüchern der Windmühlenflügel bis jenseits der Stadtmauer herab.
Darauf zog er sich in die Gegend von Neuwied zurück, wo er mit dem Schinderhannes Verbindung aufnahm. Er setzte sein Räuberleben noch eine Reihe von Jahren fort, bis er schließlich in Frankfurt gefangen und in Köln 1803 mit dem Fallbein hingerichtet wurde.
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